Presse in Jena und anderswo über unsere Stadtführungen

"Also gute Unterhaltung mit Frau Nachtwächterin!", Quelle: TLZ, 30.12.2014


"Zu Gast bei Sophie"

Foto: D. Urban, Quelle: OTZ, 16. Mai 2012


"Geister und Betrunkene in Jena"

Foto: S. Bühlchen, Quelle: TLZ, 16.4.2012


"Powerfrau von anno dazumal"

Foto: A. Schimmel, Quelle: OTZ, 12.4.2012


Jena, die wahre Lutherstadt - Mit dem Reformator Gäste locken

Von Thomas Beier. TLZ, 26.10.10
Jena. Die Forderung passt in die Zeit: Kommenden Sonntag wird Reformationstag gefeiert, und vor wenigen Tagen wurde Nordhausen als vierte Thüringer Stadt in die Vereinigung der Lutherstädte aufgenommen: Wann beantragt endlich auch Jena das Prädikat Lutherstadt?
Von einer vertanen oder sogar verschlafenen Chance spricht die Jenaer Gästeführerin Uta Lörzer. Endlich weg von der Lichtstadt, hin zu einem touristischen Magneten!, diese Vision hat sie für die Saalestadt, und so schreibt Uta Lörzer auf ihrer Internetseite: Mit Geschichte kann man punkten und Reformationsgeschichte ist spannend, bildet sie doch eines der Abschlusskriterien für jene Epoche, die wir Mittelalter nennen. Im Jahre 2017 jährt sich die Reformation zum 500. Mal.
Jena hat Lutherfreunden viel zu bieten: In der Stadtkirche gibt es Luthers originale Grabplatte, in Jena fand die erste protestantische Neugründung einer Universität statt, Jena wird bisweilen das wahre Wittenberg genannt. Nicht zu vergessen sind die Kostbarkeiten, die in der Thüringer Universität- und Landesbibliothek (Thulb) aufbewahrt werden.
Ein neuer Schatz wird pünktlich zum Reformationstag der Öffentlichkeit präsentiert. Eine alte Bibel, die auf mehreren Seiten von Luthers Weggefährten Melanchthon beschrieben wurde. Der Fund ist eine kleine Sensation, über die Schrift war bis vor kurzem so gut wie nichts bekannt. Dr. Joachim Ott, der Thulb-Abteilungsleiter für Handschriften und Sondersammlungen, ist auch der Auffassung, dass Jena spielend das Prädikat Lutherstadt rechtfertigen könnte. Es sei die Frage, was die Stadt damit erreichen wolle? Universitätsstadt oder Zeiss-Stadt seien für sich genommen ja auch sehr starke Prädikate.
Dass Jena derzeit keine Ambitionen hat, den Zusatz Lutherstadt zu beantragen, sagte Rathaus-Sprecherin Barbara Glasser gestern.
Und viele Stadträte erinnern sich noch an die Debatte, als Jena sich nicht einmal den Titel Universitätsstadt auf seine Ortseingangstafeln schreiben wollte. Begründung damals: Jena sei viel mehr als nur eine Universitätsstadt.


Lioba Knipping / 21.07.10 / TLZ

Fanny Rödenbeck hat in ihrer Dissertation zu Häusern am Markt neue Stadtgeschichte geschrieben

Endlich wird mit einer alten Stadtlegende aufgeräumt: Die "Göhre", Markt 7, war früher keine Mühle, sondern die wohl erste Buchhandlung der Stadt. Herausgefunden hat dies Fanny Rödenbeck bei den Recherchearbeiten zu ihrer Dissertation, die nun vorliegt, die sie aber noch verteidigen und veröffentlichen muss.
"Irgendwann damals sind versehentlich die Hausnummern vertauscht worden", erklärt sie. Heute ist der Markt Jenas "gute Stube". Doch das war nicht immer so. Es gab Zeiten, in denen in den Häusern rund um den Marktplatz nur arme Menschen wohnten: Witwen und kleine Handwerker, die nur wenig Geld hatten. Das war vom frühen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Fall. Damals nämlich war der Markt noch nicht an Abwasserkanäle angeschlossen. Es roch unangenehm. Das wollte sich niemand der begüterten Jenaer antun.

Geschichte(n) aus 400 Jahren

Fanny Rödenbeck ist eigentlich Architektin im ersten Leben. Und Stadtführerin. Als solche hat sie sich immer mehr für die Geschichte(n) der Menschen und Häuser interessiert. Sie studierte noch einmal Volkskunde und hat jetzt ihre Dissertation bei Professor Christel Köhle-Hezinger eingereicht. Das Thema: die Häuser am Jenaer Markt.

Im 16. Jahrhundert, kurz vor der Gründung der Universität, wohnten zahlreiche Tuchgroßhändler am Markt, nach der Uni-Gründung eroberten Universitäts-Rektoren und -Professoren den Markt bis ins 17. Jahrhundert hinein und damit die damalige "Elite" der Gesellschaft. Zudem gab es dort im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Buchläden. Rödenbeck findet es noch heute spannend, wie sich das Sozialgefüge innerhalb dieser 400 Jahre verändert hat.
"Die Idee zum Thema meiner Dissertation hatte eigentlich die Leiterin der Jenaer Denkmalbehörde, Dr. Petra Zippel", so Rödenbeck. "Zwar lagen zu den meisten Gebäuden historische Bauuntersuchungen vor, doch es gab kaum Hinweise auf die Menschen, die in den Häusern wohnten", erklärt sie. Für ihre Dissertation habe sie daher alte Steuerbücher bis ins Jahr 1502 ausgewertet, die für Jena zurückreichen. "Adressbücher gab es erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, heutige Hausnummern erst von 1887 an. Man hat damals Häuser und die Bewohner nur über die Nachbarn identifiziert, indem man etwa sagte, ,das Haus von Müller neben Lehmann." Ein Häuserbuch, wie es in anderen Städten schon erstellt wurde, gab es in Jena bisher nicht.
Eine Arbeit ohne Ende wäre die Dissertation geworden, hätte Rödenbeck sich alle 24 Häuser, die zum Markt gehörten, vorgenommen. So suchte sie sich vier besonders interessante heraus: Markt 3, die einstige Markt- beziehungsweise Hofapotheke; Markt 7, die "Göhre"; Markt 16, den Stadtspeicher, der heute die Tourist-Information beherbergt, und Markt 22, das "Gasthaus zur Sonne". Insgesamt umfasst die Dissertation einen Zeitraum von 400 Jahren von 1502 bis 1914. In jedem dieser vier Jahrhunderte hat Fanny Rödenbeck zudem ein oder zwei Häuser rausgepickt, in denen sich besonderes ereignete.

Brudermord und Totschlag

So wohnte beispielsweise in der heutigen "Kaffeerösterei", Markt 11, im 17. Jahrhundert ein Mann namens Mattheus Birckner, der zwei Söhne hatte, von denen einer den anderen nach einem Streit im Gasthaus "Zum Roten Hirsch" erschossen haben soll. "Der Vater war wohl offenbar auch der Richter der Stadt und musste seinen zweiten Sohn zum Tode verurteilen, der dann nach zwei Jahren auf dem Markt hinngerichtet wurde. Einige Jahre später soll dann die Lohgerberin Brückner, der das Haus Markt 12 gehörte, das "Birckner"-Haus gekauft haben. Sie wurde eines Nachts, 20 Jahre später in ihrer Stube in einem der beiden Gebäude erschlagen. Der Mord wurde nie aufgeklärt.
Wer mehr über die Häuser am Markt und ihre Geschichte(n) wissen möchte: Fanny Rödenbeck bietet unter dem Titel "Wie das Leben so spielt" eine Führung an, die Interessierte telefonisch buchen können: (03641) 63 52 13. Einige dieser Geschichten gibt sie zudem bei einer Stadtführung am 1. August, 15 Uhr, zum Besten. Weitere Infos unter: www.jena4you.de
(Einige inhaltliche Schnitzer des Artikels wurden hier von F. Rödenbeck verbessert.)


Ostthüringer Zeitung vom 24.10.09, Anja Blankenburg

Ein Blutbad auf dem Markt
Zum Reformationstag lädt die alte Anna von Herden zu einem Rundgang durch Jena ins Jahr 1548

Jena (OTZ). Anna von Herden müsste mittlerweile ein altes Mädchen sein. In einen derben Leinenrock und Schnürmieder gewandet kreuzt sie in Jena neuerdings die Wege verwunderter Passanten und raunt uns entgegen "Willkommen, Fremdlinge!"
Schon recht, wir sehen - kostümiert - die Jenaer Gästeführerinnen Uta Lörzer oder Fanny Rödenbeck voranschreiten. Eine Stadtführung zur Reformation haben die beiden zuletzt kreiert, pünktlich zum nahenden Gedenktag an die kirchlichen Erneuerungen im 16. Jahrhundert. Nur: Mögen sich jetzt selbst profunde Kenner der ortshistorischen Materie nicht sogleich ungerührt abwenden!
In das frühe 16. Jahrhundert schließlich lotst die von Herden ihre Gäste. - Und sind wir dort nicht alle Fremdlinge? Inmitten wütend plündernder Bauernhorden, die über den klösterlichen Reichtum unaufrichtiger Mönche herfallen? Inmitten schauriger Hinrichtungsschauspiele auf dem Jenaer Markplatz, von wo aus das Blut der Gemeuchelten in stillen Bächlein fortrinnt? - Hier ist Anna von Herden zu Hause.
Die Wirtin des ersten Gasthauses innerhalb der Jenschen Stadtmauern, die Wirtin des Hauses "Zur Sonne" am Markt, sie hat die Unruhen jener Tage am Vorabend der Reformation selbst erlebt und mitangesehen, wie nach der Auflösung der städtischen Klöster die Professoren und Studenten der Wittenberger Universität in die Zellen des ehemaligen Dominikanerordens in der heutigen Kollegiengasse einzogen. - Damals zunächst vorübergehend, als bei ihnen mal wieder die Pest wütete. Als tüchtige Geschäftsfrau mag es sie gegrämt haben, dass Martin Luther, als er im August 1524 nach Jena kam, um mit dem Stadtprediger Reinhardt über theologische Streitfragen zu disputieren, statt in der "Sonne" im Wirtshaus "Zum Schwarzen Bären" vor den Toren der Stadt Quartier genommen hatte.
Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck haben das Drehbuch für den besonderen Gang durch die Saalestadt geschrieben, hunderte Stunden Bücher- und Archivaktenstudium gingen voraus. Er ist kein Rundgang zu den Sehenswürdigkeiten und Eckpunkten der Stadtgeschichte, für den sich die Gästeführerinnen lediglich etwas ausgefallen kleiden. Sondern hier begeben sich die Besucher auf einen Ausflug in das Jena der Reformationszeit. Dass die beiden Frauen dabei in die Haut einer realen historischen Figur schlüpfen, erleichtert ihnen, selbst den Zeitsprung zu vollziehen. So kann es Fremdlingen wohl auch passieren, dass die Wirtin Anna von Herden, der sie sich hier angeschlossen haben, die Frage, worum es sich etwa bei dem hohen runden Turm handle, der das Stadtzentrum so auffällig dominiere, bloß achselzuckend zurückgibt: "Woher soll ich das wissen?" Über derlei zeitgenössische Bauwerke und Erscheinungen vermag das alte Mädchen keine Auskünfte zu erteilen. Dafür plaudert Anna gewissermaßen aus dem Nähkästchen über Gewöhnliches wie Spektakuläres längst vergangener Tage. Mal blutig, mal heiter. Martin Luther zum Beispiel soll einmal, als einer seiner Kollegen seine unerhört lange Predigt endlich schloss und sich auf dem Weg von der Kanzel an einem Nagel den Talar zerriss, laut in die Kirche gerufen haben: "Ach, er konnte gar nicht aufhören. Er war angenagelt!"
Für Fanny Rödenbeck und Uta Lörzer ist die Haut der von Herden längst nicht die erste fremde, in die sie schlüpfen. Als Schillers Gattin Charlotte oder als Universitätsgründungsprofessoren Stigel und Strigel wandeln sie durch Jenas Straßen und Zeiten. Und immer wieder als Nachtwächter - ein Spaß von nächtlichem Rundgang, der sich außerordentlicher Beliebtheit auch bei Einheimischen erfreut. Im Advent wollen die zwei die Tour des kauzigen, fromme Liedchen brummenden Gesellen noch durch eine kleine Feuershoweinlage aufhübschen. Ideen jedenfalls sprühen wie Fünkchen in den Köpfen der beiden geschichts- und geschichtenversierten Damen. In Kürze reist "Wachtmeisterin" Lörzer nach Österreich zum Europäischen Nachtwächter-Treffen, um sich mit Kollegen auszutauschen. Wer weiß, was Fremdlinge und vermeintlich Ortskundige danach in Jenas Straßen erwartet.
Nächste Reformationsführung am 31. Oktober; Karten in der Jenaer Bücherstube. Reservierungen und Gruppenanmeldungen (auch für Nachtwächterrundgang) unter 03641/44 86 58.

>>www.jena4you.de


Thüringische Landeszeitung vom 22.10.09

Mit Horn und Hellebarde
Unterwegs mit dem Nachtwächter

Im Hohelied des Alten Testaments sind es "die Wächter, die des nachts auf den Straßen gehen", im späten Mittelalter wurde er latinisiert als Nocticustos bezeichnet, und in Jena taucht er 1418 zum ersten Mal in den Akten auf: der Nachtwächter.
Fast fünfhundert Jahre lang sorgte er in den dunklen Gassen der Stadt für Ruhe und hat in dieser Zeit so manches gehört und gesehen. Unglücke trugen sich zu und Tunichtgute trieben ihr Unwesen, und mit den Studenten geriet der Nachtwächter auch oft aneinander. Dabei war die Bezahlung durch alle Jahrhunderte hindurch eher mager.
Wer dieses wichtige Amt übernehmen wollte, mußte eine kräftige Stimme haben: Stündlich hatte er die Zeit auszurufen, und auf seinem Gang durch die Dunkelheit mußte der Hüter der Nacht noch das eine oder andere fromme Lied singen. Dabei kam es häufig zu erheiternden Fehlgriffen in der Liedauswahl, und vor den Parodien der Studenten war man auch nicht sicher.
Seit diesem Frühjahr kann man den Nachtwächter in Jena auf seinem Rundgang begleiten; die Gästeführerinnen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck lassen ihn wieder auferstehen. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Stadtführung, bei der die Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeigt und erklärt werden, sondern um einen themenbezogenen Erlebnisrundgang, auf dem man viel Spannendes über das Leben im Jena des 18. Und 19. Jahrhunderts und über frühneuzeitliche Rechtsprechung erfährt und sich auch richtig gruseln kann. Aktenfunde aus dem Stadtarchiv, also reale Geschichte, werden in ein volkskundliches Umfeld eingebettet und erscheinen dadurch besonders lebendig und greifbar.
Für die Adventsfreitage gibt es eine besondere Zugabe: An diesen vier Abenden findet der Rundgang mit integrierter Feuershow statt. Weil die Gruppengröße hierfür begrenzt ist, gibt es die Karten nur im Vorverkauf, erhältlich in der „Bücherstube“ am Johannistor (ab 1. November). Möglich ist auch die telefonische Anmeldung unter (03641)448658.
Auch an den Adventssonnabenden dreht der Nachtwächter seine Runde und sorgt für eine ruhige Nacht, so daß seine Gäste anschließend beruhigt in den Sonntag hineinschlummern können.

Termine im Oktober, November und Dezember: 24. + 26. Oktober und 14. + 28. November, 5. + 12. Dezember;
mit Feuershow am 27.11., 4.12., 11.12. und 18.12.2009

Vom 20. bis 22. November findet in Linz, der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt, ein Europäisches Nachtwächtertreffen statt, Anlass ist die Gründung der Österreichischen Nachtwächterzunft. Jena4you hat eine Einladung erhalten, Uta Lörzer wird die Jenaer Nachtwächter in Linz vertreten.

Weitere Informationen, Anfragen und Buchungen auf www.jena4you.de oder unter o.g. Telefonnummer.


Barbara Glasser / 23.08.2009 / TLZ

Nötigung: Bier auf Pump - Die Wahrheit über die Grabinschrift des Burgkellerwirts

Jena. (tlz) Bekannt und beliebt ist die Geschichte von Gottlob Dietsch, dem Burgkellerwirt, der am 1. Mai 1836 den besonders bei Studenten beliebten Gasthof übernommen hatte. Dietsch soll seinerzeit die Studenten geradezu genötigt haben, ihr Bier auf Pump zu trinken. Und der Wirt hat angeschrieben, so genannte Pumpbücher geführt. Man sagte auch, dass er hin und wieder diesen und jenen Strich einfach mal eben hinzugefügt hat.
Wenn dann ein Student sein Studium in Jena beendet hatte, war es zumeist eine erkleckliche Summe, die noch beim Wirt zu bezahlen war. Dann gab's häufig Schuldscheine mit vereinbarter Verzinsung, ehe die Studenten ihren Studienort verließen. Alljährlich ging Gottlob Dietsch schließlich in den Ferien auf Tretreise, um die Schulden einzutreiben. Er zog von einem Schuldnerort zum nächsten und holte sich sein Geld. Den Überlieferungen nach soll er überall auf Kosten seiner Schuldner logiert haben.
So kam er im Jahr 1854 auch nach Brittnau in der Schweiz, wo er bei dem Theologen Johann Jakob Baumann, der in Jena studiert hatte, Geld eintreiben wollte. In dem Schweizer Städtchen ist Gottlob Dietsch an der Cholera erkrankt und verstorben.
In Jena wird immer wieder erzählt, dass auf dem Grabstein von Gottlob Dietsch gestanden habe 'Hier ruht Gottlob Dietsch Gastwirt aus Jena. Er war ein Gläubiger', erzählt Uta Lörzer, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen aus dem Gästeführerverein Stadtführungen in Jena anbietet. Sie liebe es, bei den Führungen alle Sinne der Leute anzusprechen. Deshalb habe sie nach Brittnau geschrieben und angefragt, ob es nicht ein Foto von dem Grabstein des Jenaer Gastwirts gebe. Und sie habe Antwort vom Brittnauer Ortschronisten bekommen.
Er hat mir einen Auszug aus der Totenrodel, so heißt dort das Sterbeverzeichnis, geschickt. Da kam als erstes heraus, dass Gottlob Dietsch nicht am 15. November 1856, wie hier immer wieder erzählt und geschrieben wird, sondern bereits am 11. September 1854 gestorben ist, übrigens im Wirtshaus, sagt Uta Lörzer. Wenngleich der Brittnauer Friedhof 1886 verlegt worden, der Grabstein also nicht mehr vorhanden sei, gebe es aber noch die Grabinschrift, ebenfalls aufgeschrieben im Brittnauer Rodel. Und da sei keine Rede vom Gläubiger. Der ehemalige Dorfchronist von Brittnau hat die Inschrift festgehalten: Hier ruht Gottlob Dietsch aus Jena, geboren am 10. August 1795, gestorben am 11. September 1854. Ein Fremder warst du und ein Gast dahier, leicht sei die fremde Erde dir.
Nun hat zwar Stadtführerin Uta Lörzer immer noch kein Foto vom Grabstein, aber eine Kopie der Inschrift, wie sie wirklich gelautet hatte, und dazu das tatsächliche Sterbedatum des Jenaer Gastwirt-Originals.


Wirtin der Sonne erzählt Geschichte
Neuer Rundgang der Jenaer Stadtführerinnen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck

Jena (OTZ). Sicherlich werden sich Passanten in der Jenaer Innenstadt künftig verwundert die Augen reiben, wenn ihnen beim Stadtbummel eine Dame im Renaissancekleid entgegenkommt.
Es handelt sich dann um die Gästeführerinnen Fanny Rödenbeck oder Uta Lörzer, die in die Rolle der Gastwirtin Anna von Herden schlüpfen, um Interessierten darüber zu berichten, wie es in Jena zur Zeit der Reformation zuging.
Als Wirtin der Sonne war sie stets mittendrin im Geschehen und erinnert sich angesichts der Plünderung der Jenaer Klöster noch gut daran, dass ihre Schwiegereltern einstmals viel Geld für Seelenmessen an das Dominikanerkloster zahlten. Sie musste der Hinrichtung von 20 Verurteilten auf dem Markt, direkt vor ihrem Haus, zusehen und erlebte Jahre später die Gründung der Akademie. Aufwühlend waren die Veränderungen, die die Reformation mit sich brachte: Anstelle der lateinischen Messen gab es nun auf Deutsch gehaltene Predigten, das Abendmahl wurde in beiderlei Gestalt ausgeteilt rund ein Dutzend Altäre verschwand aus der Stadtkirche, und viele ehemalige Nonnen heirateten und erhielten im Alter als ehemaligen Ordensfrauen oft finanzielle Unterstützung von der Stadt. Den Aha-Effekt, den hoffentlich viele Gäste haben werden, hatten die beiden Stadtführerinnen beim Erarbeiten des Rundgangs oft selbst, denn viele Stunden Archivrecherche und die Lektüre ganzer Stapel von Büchern liegen der Führung zugrunde. Nichts ist erfunden, jede Geschichte und jedes Faktum sind belegt, und in den Akten fanden die Damen manche spannende Begebenheit, die sie gern weitererzählen.
Gebucht werden kann die Führung bei der Tourist-Information oder beim Gästeführerverein Jena.

Ostthüringer Zeitung vom 09.05.09


Anna in der Lutherzeit. Neue Kostümführung: Jena und Reformation

Jena. 9. Mai 2009 (tlz) Die Gästeführerinnen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck laden mit ihrer neuen Kostümführung ein, sich auf den Jenaer Spuren der Reformation zu bewegen an der Seite einer Zeitzeugin: Anna von Herden, erste Wirtin des Gasthofs Sonne, die die Reformation und das Wirken Luthers in Jena hautnah miterlebte.
Noch Annas Schwiegereltern vermachten dem Dominikanerkloster eine große Summe Geldes, damit für ihre Seele regelmäßig Messen gelesen würden. Anna wird über die Zeit der Klosterstürme und Bauernunruhen berichten bis hin zum Jenaer Blutgericht, als am 21. Juni 1525 vor der Sonne 20 Verurteilte geköpft wurden. Auch fehlt es der Dame nicht an Wissen über die im Schwarzen Bären ausgetragene Diskussion zwischen Luther und dem Karlstadt genannten Reformator Andreas Bodenstein. Oder über die allerersten Anfänge der Hohen Schule in Jena.


Nun noch die Hose - eine Strip-Show mit historischem Hintergrund

Jena (TLZ).
Gästeführerin Fanny Rödenbeck berichtet:

Möglicherweise etwas trockene Stadtführungen vertragen zuweilen eine gute Anekdote. So erzählte ich neulich einer an sich sehr interessierten, aber auch etwas müden Hamburger Gruppe von einem Ereignis, das sich vor fast fünfhundert Jahren zugetragen hat: In den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts soll Simon Leubel, angesehener Kaufmann und zweitreichster Mann der Stadt, im Suff nach der Taufe seines Kindes auf den noch unvollendeten Turm der Stadtkirche gestiegen sein und sich dort zum Gaudi und gespielten Entsetzen der Bürger splitterfasernackt ausgezogen haben, was eine saftige Geldbuße nach sich zog. Meine Gruppe folgte mir nach dieser heiteren Einlage auf den Markt, wo unsere Aufmerksamkeit sofort von der eben wieder von den Gerüsten befreiten Kirchturmuhr und dem schmucken farbigen Schnapphans in Anspruch genommen wurde. Doch viel mehr noch fesselte einer der Arbeiter die Blicke der Hamburger: Hoch oben auf dem noch bestehenden Gerüst begann er gerade, seine Hosenträger herabzulassen. Sicher, der Tag war wirklich heiß ... Er entledigte sich seines Hemdes und stand nun mit nacktem Oberkörper oben am Turm, wobei ihm die Latzhose bedenklich in die Knie rutschte. Klar also, was meine Gäste riefen: 'Nun noch die Hose!' Doch dazu kam es nicht. Schnell zog er sich die Träger wieder hoch. Trotzdem erntete die Darbietung tosenden Applaus der Gruppe. Die Hamburger Gäste, denen es sehr gut in Jena gefiel, werden die Stadt und ihre Männer in heiterer Erinnerung behalten. Datum: 05.05.2009


Leute, lasst euch sagen - ... soeben hat es 12 geschlagen

OTZ, 01.04.09

Jena. (tlz) Bereits im Hohelied des Alten Testaments findet man ihn, und im späten Mittelalter wurde er latinisiert als Nocticustos bezeichnet: der Nachtwächter. In Jena taucht er 1418 zum ersten Mal in den Akten auf und hat fast fünf Jahrhunderte lang den Schlaf der ehrlichen Bürger bewacht. Vieles hat er in den dunklen Stunden gehört und gesehen und weiß über manch grausige Untat zu berichten. Aber auch schlafwandelnde Bürger oder aus dem Fenster gefallene Studenten sind ihm begegnet.
Die Aufgaben des Nachtwächters waren genau festgelegt, und wer dieses wichtige Amt übernehmen wollte, mußte eine gute Stimme haben: Stündlich war die Zeit auszurufen, und das in Liedform. Für jede Stunde hat das bekannte Nachtwächterlied eine Strophe, und der Hüter der Nacht war angehalten, auf seinem Weg zwischen den Stundenschlägen weiteres Liedgut zu Gehör zu bringen. Mancherorts gab es sogar eigens dafür zusammengestellte Sammlungen frommen Liedgutes, damit des Nachts keine gruseligen Moritaten durch die Gassen hallten.
Jetzt hat Jena wieder zwei Nachtwächter: Die Gästeführerinnen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck haben dafür viel Material gesammelt und kurzweilig zusammengestellt. Wer mag, kann sich mit ihnen auf einen Rundgang begeben. Gelegenheit dazu ist erstmals am Sonnabend, 4. April, und am Ostersonnabend, jeweils um 21 Uhr ab Johannistor, wo es vor Beginn der Führung auch die Tickets gibt.
Gruppen können die Führung zu ihrem Wunschtermin über www.jena4you.de oder über Tel. 03641-448658 buchen. TLZ, 1.4.09


Die dunkle Seite der Lichtstadt

Jena (OTZ). Wenn am Sonnabend ab 21 Uhr der größte Teil der Straßenbeleuchtung der Stadt abgeschaltet wird, um einen ungehinderten Blick in den Nachthimmel zu ermöglichen, besteht auch zum ersten Mal die Gelegenheit, den Jenaer Nachtwächter auf einem Rundgang zu begleiten.
Fanny Rödenbeck und Uta Lörzer vom Jenaer Gästeführer-Verein schlüpfen in das Kostüm des Nachtwächters und entführen die Teilnehmer in das Jena des Jahres 1690, in eine Zeit, da Jena schon Residenzstadt und Sitz einer der meistbesuchten Universitäten des Deutschen Reiches war.
Wer durfte nachts noch die Tore passieren? Welche Verbrechen ereigneten sich vorzugsweise nachts in der damals überschaubaren Stadt? Einen Eindruck vom Leben und Denken der Bürger Jenas in der Frühen Neuzeit vermittelt diese neue Stadtführung. Premiere ist am 4. April um 21 Uhr, die nächste Führung ist am Ostersonnabend geplant. Treff: Johannistor, Dauer: ca. 1,5 Stunden, Tickets vor der Führung. Anmeldung www.jena4you.de oder unter Tel. (03641) 635213 oder 448658
OTZ, 1.4.09


Gute Stube im Umzugsgepäck:
Modelle der ältesten Jenaer Häuser erzählen Geschichten im Stadtmuseum

Von OTZ-Redakteur Michael Groß

Jena. Etwas abenteuerlich klingt es schon, dass man beim Umzug auch die vier Wände des Wohnzimmers einfach mitnimmt. Aber im späten Mittelalter war dies in Jena wirklich so, wie Fanny Rödenbeck erzählt. Da haben manche Familien ihre Holzbohlenstube - und das war oft das Schmuckstück eines Hauses - komplett zerlegt und im nächsten Haus wieder aufgebaut.

Aus diesem Grunde sind Bohlenstuben hin und wieder älter als die Häuser, in denen sie sich befinden. Ein Beispiel dafür ist die Rose in der Johannisstraße. Die dortige Bohlenstube stammt laut dendrochronologischer Untersuchungen (Altersbestimmung mit Hilfe der Jahresringe des verbauten Holzes) von 1530, während das Alter des Gebäudes auf 1574 zurückgeht.

Zu erfahren ist dies bei den wöchentlichen Führungen in der Sonderausstellung im Stadtmuseum über die ältesten Häuser der Jenaer Innenstadt. Als sachkundige Führerin berichtet dabei Fanny Rödenbeck, die über alte Markthäuser auch promoviert, anhand von zehn Modellen im Maßstab 1:20 über Geschichte und Geschichten dieser baulichen Schätze des alten Jena.

So kann sie auch von weiteren Bohlenstuben erzählen wie etwa der im Markt 16, wo die Tourist-Information jüngst erst ihr neues Zuhause erhalten hat, oder auch von der Sensation, die man 1994 in der Schloßgasse 1 (Ecke zur Saalstraße) entdeckte: Im 1. Stock stieß man auf eine Bohlenstube, deren Wände über Jahrhundert mit mehreren Tapetenschichten überklebt worden war. Darunter kamen vier Figuren zum Vorschein - Sinnbilder für die Begriffe Hohe Schule (Academia), Überfluss, Hilfe und Faulheit. Entstanden sei die Ausmalung 1751, so Frau Rödenbeck, im Auftrag einer Gesellschaft für Sprachpflege, die in jenem Haus eine Art Akademie der Wissenschaften gründen wollte, woraus jedoch, aus welchen Gründen auch immer, nichts wurde.
Interessantes gibt es aber auch über das alte Gasthaus Zur Sonne zu erfahren, dessen bauliche Anfänge sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Im Ursprung könnte die Sonne ein Adelssitz gewesen sein, Forscher nehmen an, dass einst den Lobdeburgern gehörte. Auch später war das Haus offenbar im Besitz bedeutender Persönlichkeiten. Laut Erhebung der Türkensteuer von 1592 gehörte der Inhaber zu den reichsten am Markt.

Aber auch, dass das die beiden Haushälften des Rathauses unterschiedlich hoch sind, im Hinterhaus der Rose der Ursprung des Universitätsarchivs vermutet wird und sich in der Göhre womöglich der erste Buchladen Jenas befunden hat, sind nebst anderen aufschlussreichen Dingen bei der Führung zu erfahren.

Weitere hier nicht genannte Modelle der Ausstellung sind die alte Universitätskirche, Markt 8 (Krawattenladen), Platanenhaus und Haus im Sack.
10.01.2009


Blumenröschen wird lebendig

BlumenröschenEinstmals kannte jeder in Jena das Blumenröschen, das von 1844 bis 1915 lebte. Die Kunitzerin kam allmorgendlich nach Jena gelaufen, um auf dem Markt Blumen zu verkaufen. Und obwohl sie als Verkäuferin hartnäckig war, zu Wohlstand gelangte sie nie. "Blumen bringt sie, wenig frische, meist so welk wie ihr Gesicht", heißt es in einem Gedicht von Franz Strelzik über das Jenaer Original. Und an anderer Stelle: "Und sie stellt sich stumm zu Tische, kaufst du nicht, so geht sie nicht."
Die beiden Stadtführerinnen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck wollen nun das Blumenröschen, das mit bürgerlichem Namen Johanna Rosina Schlegel hieß, wieder zum Leben erwecken. "Eigentlich war es die Idee einer Kollegin, die aber selbst keine Kostümführungen machen möchte", erzählt Uta Lörzer. Aber erst in jüngster Zeit habe die Idee konkrete Gestalt angenommen. Inzwischen liegt ein fertiges Drehbuch vor für die Stadtführung, die am Florabrunnen startet. "Dort in der Löbderstraße flanierten früher die Pärchen", begründet Uta Lörzer die Wahl des Ausgangsortes.
Sie und ihre Kollegin hätten Anekdoten aus der Stadtgeschichte zusammengetragen, die aus der Zeit des Blumenröschens stammen. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte vom "Leichenmüller", die bei der Rechtsmedizin am Fürstengraben erzählt wird. Dem ersten ordentlichen Professor für Pathologie in Jena wird nachgesagt, dass er wasserdichte Taschen im Mantel gehabt haben soll. Wenn er zu einem Toten gerufen worden ist, soll er Gewebeproben vor Ort entnommen und gleich in der Manteltasche transportiert haben. Der Leichenmüller sei auch bekannt dafür gewesen, dass er Gallensteine gesammelt haben soll. Gallensteine von Toten soll er auch mal ohne Erlaubnis einfach eingesteckt haben.
Insgesamt 15 solcher Stationen haben Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck in die knapp zweistündige Kostümführung eingebaut. Dann galt es noch, das geeignete Kostüm zu finden: Eine weiße Spitzenbluse war kein Problem, eine Vorbindeschürze gab es über das Internetauktionshaus Ebay, der Rock stammt von einer alten Tante, die Lackschuhe schließlich sind neueren Datums. Somit ist das aktuelle Blumenröschen etwas nobler angezogen als die Kunitzer Marktfrau. Aber ansonsten legen Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck viel Wert auf Authentizität.
Von sofort an kann die neue Kostümführung von Interessenten gebucht werden. "Wir bieten diese Kostümführung jetzt an", sagt Beate Jauch, die Leiterin der Tourist-Information. Zudem kann die Führung direkt bei Lörzer und Rödenbeck im Internet unter www.jena4you.de geordert werden.
12.08.2008 Von Barbara Glasser


Von Studentenstreichen und üppigem Bierkonsum:
Brauch aus dem Mittelalter zum Nacherleben

Stingel StriegelJena. (tlz) Mit wehendem Talar, Mühlradkragen und großen schwarzen Hüten auf dem Kopf stürmen zwei Gestalten durch das Jenaer Johannistor, laut auf Latein debattierend. "Qui sunt isti homines", ruft eine der beiden angesichts der wartenden Gäste, "Wer sind diese Leute da?" "Est manus studiosorum, qui laborem fugiunt", antwortet die Andere, "Ein Häuflein nichtsnutziger Studiosi." Der sich anschließenden Schelte folgen die Wartenden meist mit verständnislosem Gesicht. Wer ist schon heute des Lateinischen noch so mächtig, dass er einem Gespräch mühelos folgen kann?

Als vor 450 Jahren die Jenaer Universität gegründet wurde, war Latein noch die alleinige Unterrichtssprache, und selbst die Einträge in die Stammbücher, die Poesiealben der Studenten, waren häufig auf Latein abgefasst. Aber die Professoren Stigel und Strigel, die eben noch so streng die vermeintlichen Studenten rügten, haben ein Einsehen und fahren auf Deutsch fort. Sie berichten während des nun folgenden Rundgangs durch Jenas Zentrum von Studentenstreichen und dem reichlichen Bierkonsum der Studiosi, von ledigen Müttern und betrunkenen Dichtern, von Rempeleien auf dem Breiten Stein und von der klumpigen Rosinensoße, die so manche Professorenfrau auftischte, um Geld zu sparen.

Nach einem Besuch der Stadtkirche, in der die beiden Gründungsprofessoren der Jenaer Universität bei den Grabplatten der Reformatoren Luther und Schnepff verweilen, geht es über den Marktplatz, über den vor 400 Jahren der Lärm aus einer Druckerei hallte, zum Kollegienhof, der Gründungsstätte der Alma Mater. Hier folgt eine stilechte Jünglingsweihe, genannt Deposition, zu der die Professoren einer Korbtruhe gar schauerliche Gerätschaften entnehmen, zum Beispiel eine große Scherengitterzange, einen Hobel und ein Beil. Nach Originaltexten werden dann einem angehenden Studenten die Hörner abgestoßen, ein Zahn gezogen und geschliffene Manieren beigebracht, so dass er sich, ausgestattet mit einem Depositionsschein, an jeder deutschen Universität bewerben kann.

Die überstandene Prozedur wird von allen mit einem Becher Wein gefeiert, und jetzt schaut manch einer der Gäste erstaunt auf die Uhr: Sind tatsächlich fast zwei Stunden vergangen, seit die Gruppe am Johannistor aufbrach?

Wer sich für die kleine Zeitreise durch Jena interessiert findet alle Termine auf der Internetseite der Stadtführer "jena4you". Der Rundgang ist auch zum Wunschtermin buchbar. Ende Juli startet eine neue Kostümführung, "Unterwegs mit dem Blumenröschen".

Alle Termine: www.jena4you.de
07.07.2008


Trefflich, trefflich: Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck (v. r.) vom Gästeführer-Verein...

Stingel Striegel

Trefflich, trefflich: Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck (v. r.) vom Gästeführer-Verein nahmen gestern die Tagung der deutschen Hochschulrektorenkonferenz in Jena zum Anlass, in die Wagenradkragen-Kostüme zu schlüpfen und die Gründungsprofessoren der Jenaer Universität Victorinus Strigel und Johannes Stigel darzustellen: Als Begleitprogramm zur Tagung hatten Strigel & Stigel eine Damenrunde Rektorinnen und Ehefrauen von Rektoren zum Stadtrundgang geladen, der studentisches Leben und akademische Rituale des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit offenlegt. Von links: Barbara Straka, Rektorin der Hochschule für Bildende Kunst Braunschweig, und Colleen Michler, Gattin des FSU-Rektors Klaus Dicke.


"Mit Hobel und Bachantenzahn" - ein kleiner Bericht über eine wirklich lohnenswerte Stadtführung der anderen Art

Vielleicht lag es an dem ungemütlichen Wetter, daß sich heute leider nur etwa zehn Personen meist "älteren Semesters" eingefunden hatten, um dem Rundgang durch unsere Innenstadt mit anschließender Despositionszeremonie zu folgen.
Niemand geringeres als die beiden ersten Rektoren der hiesigen Universität - die Theologieprofessoren Victorinus Strigel und Johann Stigel alias Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck in zeitgenössischer Gewandung - leiteten diesen und erzählten dabei Wissenswertes über das studentische Leben in Jena in den Gründungstagen der Uni - immer gewürzt mit den Anekdoten, die sich aus dem "bunten" Studententreiben jener Tage überliefert hat. Seien es die listigen Streiche, die mancher Student seinem Professor spielte, die wilden Fechtduelle, die manch junges Blut vor seiner Zeit die Radieschen von unten begucken ließen oder der Fakt, daß (fast) jede Entbindung eines unehelichen Kindes im Accouchierhaus die Exmatrikulation eines Studiosus nach sich zog - die Parallelen zum modernen Studentenleben, in dem ja (Gerüchten zufolge) auch viel gefeiert und gesoffen wird, zauberten immer wieder ein Schmunzeln in unsere Gesichter.
Unmittelbar an die Orte des Geschehens geführt, erfuhren wir nicht nur, was es mit dem Philister- und Spießbürgertum auf sich hat (Begriffe, die von Jena aus ihren Siegeszug durch ganz Deutschland antraten) und weshalb August der Starke, der sich selbst stets für unbesiegbar hielt, den Jenaer Fechtmeister Johann Wilhelm Kreußler nach dessen Sieg über ihn reich beschenkt nach Hause zurückkehren ließ.
Wieso Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar unzüchtige Graffiti im Karzer kurzerhand zur Kunst erhob und weshalb ein jeder "Fuchs" (Studienanfänger) erst offiziell "gehobelt" werden mußte, ehe er sich Student nennen durfte könnt ihr auch weiterhin erfahren: http://www.gaestefuehrer-jena.de
Die Führung lohnt sich auf jeden Fall - für jeden derzeit/zukünftig/ oder Ex-Studierenden genauso wie für jeden Jena-Interessierten, der auf ein alternatives Erlebnis steht. Mit viel Witz und Liebe zum Detail wurde mir so (nachträglich gewissermaßen) eine Immatrikulation zuteil, wie sie sonst kein Student mehr erlebt!

(Aus dem SJ-Forum, Wanderfalke, vom 16.03.2008)


Die Flausen treibt zuerst ihm aus!

Jena. (tlz) Mitten im Stadtzentrum, am helllichten Tag: Zwei Gestalten in schwarzen Roben, mit breitkrempigen Hüten und weißen Wagenradkragen machen sich mit Axt und Zange über einen Grünschnabel her. - Die Herren Professoren Victorinus Strigel und Johannes Stigel treiben dem angehenden Studiosus die vorakademischen Flausen aus. Die Hörner werden ihm, symbolisch, abgestoßen. Der Knabe erlebt seine Deposition. Derlei Szenen - bis ins 18. Jahrhundert hätte wohl kein Passant daran Anstoß genommen - werden in Jena wieder zu beobachten sein. Fanny Rödenbeck und Uta Lörzer schlüpfen in die Gewänder der beiden Gründungsprofessoren der Jenaer Universität. Die Gästeführerinnen haben einen Stadtrundgang ausgetüftelt, der sich mit studentischem Leben und akademischen Ritualen im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit beschäftigt.

TLZ

Der wohl merkwürdigste Brauch jener Jahre ist die so genannte Deposition, eine martialische Jünglingsweihe, der sich jeder angehende Student unterziehen musste. Sie sollte ihm die Untugenden der Knabenjahre austreiben. Dazu steckte man den armen Tropf in einen löchrigen roten Mantel, stülpte ihm eine behörnte Kappe über und gab ihm den so genannten Bachantenzahn in den Mund. Dann rückte ihm der Depositionsmeister, in der Regel war das der Dekan der philosophischen Fakultät, zu Leibe: Das Zahnziehen etwa steht für die Austreibung von Lastern wie übermäßiges Essen, übertriebenes Lachen, Lästern oder Lügen. Tausende Studenten mussten sich über die Jahre an der Salana der Prozedur unterziehen und anschließend den Depositor und die ganze Belegschaft der Fakultät zu einem zünftigen Umtrunk einladen.
Das ohnehin angsteinflößende und entwürdigende Zeremoniell konnte indes richtig unangenehm werden, wenn es die Depositoren aus purem Übermut gar zu toll trieben: "Manchmal mussten die jungen Männer übel stinkende Flüssigkeiten trinken oder Tabletten essen, die aus Tierkot gemacht waren", erzählt Fanny Rödenbeck. Derartige Unannehmlichkeiten braucht bei ihr freilich kein Gast zu fürchten. Eine Depositionsurkunde gibt es jedoch für den, der sich während der Stadtführung freiwillig dem nachgestellten Ritual unterzieht, dazu einen Becher Wein für jeden, das versprechen die beiden Damen. - Und natürlich einen erhellenden Stadtrundgang entlang diverser akademischer Tatorte: Haus zur Rosen, Accouchierhaus, Fechtmeister Kreusslers einstige Behausung, Collegium Jenense.
www.jena-entdecken.de

Thüringer Landeszeitung (TLZ), Lokalteil Jena, 10.02.2008 Von Anja Blankenburg


Im Talar durch die Jahrhunderte

Hobel und Bachantenzahn

Kostümführung informiert über Studentenleben zu Gründungszeiten der Universität
Von Manuel Heckel Jena. Verblüfft bricht der Professor im schwarzen Talar seinen Vortrag in lateinischer Sprache ab: "Das sind ja gar keine Studiosi!" ruft er seinem Kollegen in gleicher Tracht zu. Richtig: Vor den beiden steht eine Gruppe, die auf eine Stadtführung wartet.
Und in den Talaren stecken die Gästeführer Uta Lörzer und Fanny Rödenbeck - Auftakt zur neuen Führung "Mit Hobel und Bachantenzahn". In den Kostümen der Professoren Strigel und Stigel (beide Mitbegründer der Universität) geht es knapp zwei Stunden durch die Altstadt.
Das Thema: Geschichte und Geschichten zum studentischen Leben in den ersten drei Jahrhunderten der Hochschule. Startpunkt des Rundgangs ist das Johannistor. Direkt daneben, am Philisterbrunnen, gibt es die erste Anekdote zu hören. Der Begriff Philister für den kleinlichen Spießbürger stamme aus Jena, berichten Lörzer und Rödenbeck. Er gehe zurück auf Bürger, die feiernde Studenten an die Stadtwache verrieten. Die Besucher staunen - und trödeln etwas hinterher. "Was bummelt ihr? Eilet euch ein wenig", bleiben die Gästeführer ihren Rollen treu.
Mit wehenden Talaren geht die Führung weiter: Zwischenhalte gibt es am Accouchierhaus und in der Stadtkirche, von dort geht es weiter durch die Altstadtgassen zum Markt. Dort kamen die Erstsemester in den Anfangsjahren der Uni mit der Kutsche an und wurden unter dem Gespött der Studenten in der Stadt begrüßt.
Zur Aufnahme gehörte die "Deposition". Lörzer und Rödenbeck spielen das Ritual zur Immatrikulation der Studenten mit einem Teilnehmer der Führung nach. Im Kollegienhof hobeln "Strigel und Stigel" dem Mutigen die Freiheit von der roten Kutte und ziehen den faulen Bachantenzahn (aus Holz). Als Belohnung gibt es Wein - und, historisch nicht ganz korrekt, Früchtetee.

Termine: Mittwoch (27. 2.) um 17 Uhr, Sonntag (2. 3.) um 15 Uhr, Mittwoch (5. 3.) um 17 Uhr. Anmeldung: Tel. 63 52 12 und 44 86 58, www.jena4you.de

OTZ 22.02.2008


Thüringer Anzeiger

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